Post aus dem Apfelgarten

…ich fing an zu singen

Als ich heute meinen 3-jährigen in unserem 2×2 Meter großen Familienbett in den Schlaf stillte, hörte ich ein Kind schreien. Definitiv kein Baby mehr, eher ein Kleinkind. Wir wohnen in einem größeren Mehrfamilienhaus, das eigentlich ziemlich gut gedämmt ist. Das Schreien dieses Kindes hatte, für mich, etwas panisches. Es waren Worte dazwischen, die ich nicht verstand, dass schreien steigerte sich und ebbte ab, blieb aber die ganze Zeit verzweifelt. Ich kann nicht sagen, ob sich ein Erwachsener um dieses Kind kümmerte, ja nicht, mal, woher das schreien herkam. War es alleine in seinem Zimmer und musste sich in den Schlaf schreien? Ich fing an, flach zu atmen, versuchte zu verstehen, was da los war, warum dieses Kind so schrie. Irgendwann hörte ich es immer wieder „nein, nein, nein“ schreien und ich frage mich, wie laut es gewesen sein muss, dass seine Schreie bis zu uns durchdrangen. Auch mein eigenes Kind neben mir wurde ganz seltsam ruhig und lauschte. Es tat mir in der Seele weh, ein Kind so derartig in Verzweiflung zu erleben, wenn auch nur durch dicke Wände hindurch. Ich versuchte mich zuberuhigen „Vielleicht hat es nur schlecht geträumt und lässt sich grade schwer beruhigen?“. Ich weiß es nicht.

Irgendwann tat ich das, was ich an den meisten Abenden für mein Kind tue: ich fing an zu singen. Ich musste für mich diese Schreie, gegen die ich nichts tun konnte ausblenden um nicht aufzupringen und durch sämtliche Flure zu laufen, um seine Quelle ausfindig zu machen. Ich wollte meinem Kind vermitteln, dass alles gut ist, dass kein Gefahr droht, auch wenn er bemerkt hat, dass ich aufgeühlt war. Und beim singen dachte ich noch kurz: „Vielleicht funktioniert das hören in beide Richtungen?“. Vielleicht kann das Kind, das ich höre auch mich hören und wenn es tatsächlich alleine und verzweifelt sein sollte, vielleicht hilft es ihm dann, zumindest eine andere Stimme zu hören? Also sang ich. Und als ich fertig war, waren die Schreie verstummt. Ich weiß nicht, ob das Kind vor Erschöpfung eingeschlafen ist, ob ein Elternteil kam um es zu beruhigen oder ob es mich tatsächlich gehört hat. Aber singen war in diesem Moment das einzige, was ich tun konnte, um zumindest mein Kind und mich selbst in unserem kuscheligen Bett zu beruhigen.

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